Fernsehbericht zur Dolografie des Wissenschaftsmagazins nano mit dem Schmerzexperten Prof. Dr. med. dent. Türp (ab Min. 22:30)
Aktuellste Studienergebnisse (Auszug)
Die Studie von Prof. Dr. med. dent. Jens Christoph Türp und Dr. med. dent. Carolin Luise Bohn vom Universitären Zentrum für Zahnmedizin Basel und Universitätsklinikum Freiburg bestätigt, dass mit Hilfe der Dolografie bei der üblichen Anamnese nicht verbalisierte Aspekte der Schmerzerfahrung zur Sprache kommen und somit ein diagnostischer Mehrwert hinzukommt:
«[…] indem entweder in der Schmerzanamnese zuvor berichtete Schmerzbeschreibungen konkretisiert wurden oder bislang nicht erwähnte neue Aspekte hinzukamen, sodass zum Beispiel eine Differenzierung der schmerzhaften Beschwerden möglich wurde. Die Ergebnisse unserer Untersuchung zeigen jedenfalls, dass sich verschiedene Schmerzeigenschaften bzw. -ebenen mithilfe unterschiedlicher Karten ausdrücken lassen. So wird die Schmerzerfahrung für das Gegenüber, bisweilen aber auch den Erlebenden selbst noch besser (be-)greifbar.
Die Autor:innen führen weiter aus: «Patienten mit chronischen Schmerzen werden häufig mit mangelnder Anerkennung ihres Krankheitsbilds konfrontiert, teilweise sogar seitens der Ärzteschaft. Daher sind Akzeptanz und Wertschätzung dieser Patienten ein wichtiger Schlüssel für eine gelungene Kommunikation. Eine solche Haltung kann gefördert werden, indem man den Patienten die Möglichkeit gibt, ihre Schmerzen ausführlich zu beschreiben, während man aufmerksam zuhört. Die bildgestütze Anamnese kann diesen Kommunikationsprozess unterstützen. Die benötigte Mehrzeit von wenigen Minuten ist in diesem Zusammenhang vernachlässigbar.»
Die Autor:innen führen zudem aus, dass «[…] schmerzbezogene Bildkarten zur Differenzierung verschiedener orofazialer Schmerzen hilfreich sein können, vor allem zwischen nozizeptiven […] und neuropatischen Schmerzen.»
Als Fazit für die Praxis wird aufgeführt: «Die dolografische Methode eignet sich als Kommunikationshilfe zur Unterstützung der Schmerzbeschreibung. Sie kann als ein weiterer Baustein für eine gelingende Arzt-Patienten-Beziehung dienen.»
Rückmeldungen von Fachpersonen
«Ich verwende die Karten seit längerer Zeit. Sie sind mir eine grosse Hilfe bei der Diagnostik von Patienten mit Mund-Kiefer-Gesichtsschmerzen, weil bei der Beschreibung der ausgewählten Karten durch die Patienten klinisch relevante Sachverhalte, die sonst unbekannt geblieben wären, konkretisiert oder gar erstmals geäussert werden.»
Prof. Dr. med. dent. Jens Christoph Türp, Universitäres Zentrum für Zahnmedizin Basel
Beispiel eines klinischen Fallberichts von Dr. med. dent. Türp
«Als Dozentin für Psychologie baue ich die Dolografie-Karten im Modul Kommunikation ein, als mögliches Tool, wenn Patient*innen sprachlich an die Grenzen kommen, kein Deutsch verstehen oder wenn es sonstige kommunikative Probleme gibt. Ich zeige auch den Filmausschnitt, in dem eine Pflegefachfrau erzählt, dass es Patienten gibt, die weinen, wenn sie zum ersten Mal verstehbar machen können, wie sich ihr Schmerz anfühlt. Das thematisiere ich auch im Zusammenhang mit der Wertschätzung, die unabdingbar für eine gelungene Kommunikation ist.»
Prof. Maya Hofer, Dozentin für Psychologie an der SUPSI Landquart
«Mit dieser Methode können schwer ausdrückbare subjektive Empfindungen auf eine andere Art geäußert werden. Nach unserer Erfahrung wird der emotionale Anteil der Schmerzen dadurch deutlicher und Patienten fühlen sich dabei sehr verstanden, wenn sie ‹ihren Schmerz› sehen können.»
Martin von Wachter, Leitender Oberarzt im Ostalbklinikum Aalen und Bernd Kappis, Psychotherapeut, Klinik für Anästhesiologie der Universitätsmedizin Mainz in: Therapie-Tools Schmerzstörungen (2019).
«Wir versuchen mit diesen Karten eine bessere Kommunikationsebene zu schaffen, damit wir die Therapie darauf anpassen können und der Patient mehr teilhaben kann.»
Carsten Meyer, Leiter der Schmerzklinik Dortmund in einem Fernsehbeitrag von WDR: «Dortmunder Klinikum ist Vorreiter mit neuer Schmerzdiagnostik.» (WDR, 12.12.17)
«Die Bilder verbessern den Dialog mit den Patienten. Oft haben diese zum ersten Mal das Gefühl, ihren Schmerz präzise erläutern zu können. Die Beschreibungen sind viel detaillierter und ausführlicher als ohne Dolografie-Karten.»
Heike-Christine Strohmeyer-Kirsch, pflegerische Schmerzexpertin, Klinikum Dortmund
«Ein neues und hochwirksames Instrument, das wir einsetzen, um Kinder mit Schmerzen besser zu verstehen.»
Videobeitrag (auf spanisch) über die Dolografie von Tania García, Anästhesistin von Dolorinfantil, Spanien
Franziska Salzmann, Physiotherapeutin BSc., Physiozentrum Luzern
«Ich wende die Dolografie-Karten in Schulungen für Mitarbeitende der Pflege jeglicher Stufe an und bin begeistert:
Bei der ersten Übung sensibilisieren wir die Teilnehmenden darauf, dass es um das aktive Zuhören geht und keine Eigeninterpretation stattfinden soll: Zunächst werden Zweierteams gebildet. Person A sucht sich eine Karte aus und beschreibt diese, ohne sie zu zeigen. Person B kann bei Unklarheiten nachfragen. Sobald Person B sich sicher ist, wie die Karte aussieht, kann sie das Bild anschauen.
Bei der zweiten Übung sensibilisieren wir die Teilnehmenden darauf, wie vielseitig das Schmerzerleben sein kann. Zudem werden viele Erkenntnisse gewonnen, wie der Schmerz beschrieben werden kann: Person B sucht sich, basierend auf einem persönlichen Schmerzerlebnis, ein Dolografie-Bild aus, legt sie offen hin und erklärt den Schmerz mit Hilfe dieser Karte. Person A führt die Assessment-Fragen durch, um allfällige weitere Informationen zu erhalten.»
Tamara Gwerder, dipl. Pflegefachfrau FH, Fachstelle Bildung Pflege, Obwalden
«Die Dolografie liefert Informationen über das subjektive Schmerzerleben, wie es konventionelle bildgebende Techniken nicht vermögen. Die Schmerzanamnese wird damit um eine spannende Dimension erweitert.»
Dr. med. Niklaus Egloff, Leiter Psychosomatische Medizin, Universitätsspital Insel, Bern
«Im Ausbildungssetting finde ich die Diskussion, die Bereitschaft sich mit einem ergänzenden Fokus mit dem Thema Schmerz auseinanderzusetzen, eindrücklich. Mit den Bildern entstehen nochmals andere Dimensionen, Tiefen und die Studierenden machen jeweils die Selbsterfahrung sich differenzierter ausdrücken zu können. Es steigert ihr Bewusstsein, welchen Wert ‹sich ernst genommen zu fühlen› hat.»
Sandra Kneubühl, Pflegefachfrau, Dozentin für Palliative Care in unterschiedlichen Settings, Bern
«Ich wende die Dolografie bei Kindern und Jugendlichen an, um die Vorstellung «Schmerz ist immer gleich, egal was ich mache» zu transformieren in: «der Schmerz verändert sich und ich kann das beeinflussen». Ausserdem ist es faszinierend zu sehen, dass der Schmerz sich in schönen Farben und überraschenden Mustern zeigen kann. Letzteres habe ich dann z.B. in Atemübungen oder Dehnübungen hold-relax eingesetzt und den Schmerz in Farben verwandeln lassen und aus den Zehen oder Fingern abfliessen lassen. Die Umwandlung vom unangenehmen Schmerzempfinden in Neugier, Forscherfreude hat zu einer bewussten Schmerzreduktion geführt und einer verfeinerten Körperwahrnehmung. Die Karten sind ein kreatives Hilfsmittel dabei um etwas auszudrücken, was sich nicht in Worte fassen lässt.»
Eliane Schneider, Physiotherapeutin
«Die Bilder der Dolografie entziehen sich – ähnlich der Schmerzempfindung – einer semantischen Eindeutigkeit und fordern dadurch zu sprachlicher Ergänzung auf. In ihrer Balance zwischen Bestimmt- und Unbestimmheit bieten die Bilder der betroffenen Person eine geeignete Projektionsfläche für deren Assoziationen.»
Dr. med. Katharina Haas, Fachärztin FMH für Psychiatrie u. Psychotherapie
Denise Fausch, Kunsttherapeutin Fachrichtung Gestaltungs- und Maltherapie, Psychosomatik und Psychiatrie, Rehaklinik Braunwald
«Erstens nehmen die Patienten [mit Hilfe der Dolografie] den Schmerz besser wahr – wo genau er ‹sitzt› und wie sich dieser anfühlt. Zweitens haben sie den Eindruck, dass sie vom Gegenüber ernst genommen werden.»
Corinne Braunschweig, Fach- und Notfallpsychologin FSP/NNPN
«Ich hätte nicht gedacht, dass die Abbildungen dermassen genau sind: Wenn ein Mensch alt ist und nur noch wenig Sprache hat und das Bild seines Schmerzes zeigt, dann trifft es so exakt, dass seine Augen leuchten und er sich total verstanden fühlt und sagt: ‹Genau, den Schmerz habe ich!›.
Im ersten Moment – so habe ich es erlebt – sind es viele Karten. Im zweiten Moment aber, wenn durch das genaue Hinsehen eine Vertiefung der Wahrnehmung beim Klienten passiert, habe ich beobachtet wie wichtig die Auswahlmöglichkeit ist, weil der Klient mit der guten Auswahl seine Wahrnehmung ansteuern kann. Mit dem ‹Ansteuern› meine ich – und das war wirklich interessant zu beobachten – dass der Klient selbst Bild-Gruppen zu bilden und eine Auswahl zu treffen beginnt.»
Verena Lenz, Logopädin ISP (EDK)
«Die Dolografie-Karten helfen bei der Befragung zur Befindlichkeit – bei Patienten, die sich nicht spüren oder sich nicht zum Empfinden äussern können. Insbesondere bei psychosomatischen Schmerzpatienten merke ich, dass diese mit Hilfe der Dolografie differenzierter über ihren Schmerz berichten und nachdenken können. […] Ferner beschreiben sie, dass durch das ‹Sichtbar-Machen› des Schmerzes das Gegenüber den Schmerz jetzt besser nachempfinden könne. Die Karten unterstützen also auch das Verständnis und den Beziehungsaufbau zwischen Patient und Therapeut. Für fremdsprachige Patienten hingegen finde ich die Karten weniger hilfreich. Am besten eignen sie sich für Patienten, die eine gewisse kognitive Leistungs- und Reflexionsfähigkeit besitzen.»
Valeria Spälty, Sport- und Bewegungstherapeutin, Psychiatrische Dienste Aargau AG
«Ich habe die Karten v. a. bei Jugendlichen eingesetzt. Bei Patienten, die an einer Sichelzellenanämie leiden und einer Jugendlichen mit Hirntumor. Bei allen war es beeindruckend, wie ‹zielgenau› sie die Karten für ihre Schmerzen aussuchen konnten. Im therapeutischen Kontext wandelten wir die Bilder um, in dem ich eine Kopie vom Bild machte und die Jugendlichen bat, mittels Collage, Zerschneiden oder Ergänzen des Bildes den Schmerz zu verändern.»
Isabel Witschi Eberle, Psychologin FH/Musikpsychotherapeutin SFMT
«Die Patienten können [mit Hilfe der Dolografie] etwas konkret anvisieren. Denn es gilt zu lernen, wie der Schmerz gesteuert werden kann.»
Barbara Meyer, diplomierte Pflegefachfrau HF und Erwachsenenbildnerin
«Die Methode kann bislang gut eingesetzt werden bei Menschen mit chronischen Schmerzen. Über die Fotos kommen unsere pflegerischen Schmerzexperten sehr gut mit den Menschen zu ihrem Schmerz ins Gespräch, wenn sie primär von sich aus keine gute Beschreibung geben können. Menschen, die ihren Schmerz an sich gut beschreiben können, bringen wir mit den Karten nicht in Kontakt.
Für Menschen, die sich nicht ausdrücken können (nicht deutschsprechend bzw. andere Sprachprobleme), ist die Methode bei uns nicht gut geeignet – weil die Menschen sich nicht detaillierter zu dem Thema äußern können und man mit ihnen nicht weiter ins Gespräch kommen kann.»
Heike-Christine Strohmeyer-Kirsch, pflegerische Schmerzexpertin, Klinikum Dortmund
«Hier ist mit den Mitteln der visuellen Kommunikation ein völlig neuartiges Tool für die Diagnose und Therapie von Schmerzen entstanden. […] Schmerzempfindungen, die von den Betroffenen normalerweise kaum adäquat in Worte gefasst werden können, lassen sich in einer gedanklichen und sprachlichen Auseinandersetzung mit den Bildern mit einmal zum Ausdruck bringen. Die Idee der ‹Schmerzbilder› überrascht und besitzt gerade in unserer Zeit, in der die Schmerzbehandlung in der Medizin immer wichtiger wird, eine unbestreitbar grosse Relevanz.»
Jury, Design Preis Schweiz (2013)
Stimmen von Schmerzpatient:innen
Fallbeispiel einer Patientin
«In meiner ‹Patientinnen-Karriere› haben mir Fachpersonen sehr oft die Frage nach der Schmerz-Quantität (die berühmte Skala von 1-10) gestellt. […] Zweifelsohne: Mit ihrem Bilderset könnte ich hingegen sehr viel anfangen! Ihre Bilder lösen bei mir eine Wohltat aus, wie wenn man von jemandem sehr gut verstanden wird und man sagen kann: ‹Ja, genau so meine ich es.›»
Patientin M. G.
«Lange hatte ich Mühe, meinen Schmerz einzuordnen. Ich fragte ich mich sogar, ob ich mir das alles bloss einbilde. Wenn ich den Schmerz bildlich vor mir habe, wird er greifbarer. Das hilft mir, ihn besser annehmen zu können.»
Patientin R. A.
«Die Masse an Karten kann zunächst verwirrend sein, aber dann sieht man doch ganz gezielt Bilder, mit denen man den Schmerz besser erklären kann. Weil die Bilder sagen viel mehr aus, als wenn ich mit Worten versuche zu beschreiben, wie mein Schmerz oder mein Alltag mit Schmerzen aussieht.»